Pfeifen ab ins Lager
Der Chorraum der Stadtkirche Dillenburg wird Lagerraum für 2800 Orgelpfeifen. Die bevorstehende Dachsanierung der Kirche macht den Orgelabbau erforderlich...
Kaum ist sie da, ist die Orgel weg: Petra Denker, die neue Propstei-Kirchenmusikerin, ist vor wenigen Tagen zum 1. Advent offiziell in ihren Dienst eingeführt worden. Dass kurz nach ihrer feierlichen Einführung die große Oberlinger-Orgel wegen der anstehenden Dachsanierung aus Sicherheitsgründen abgebaut und für zwei Jahre schweigen wird, bedauert sie sehr. Aber die Dachsanierung der Evangelischen Stadtkirche habe nun mal Priorität.
Angst vor dem Ausbau der Orgel hat sie nicht. „Es läuft doch wie am Schnürchen!“, sagt sie und lobt die Zusammenarbeit mit den Orgelbauern. Seit Anfang der Woche ist die Stadtkirche Dillenburg für die Öffentlichkeit gesperrt: Die Gottesdienste finden zur Bauphase im Evangelischen Gemeindehaus Am Zwingel statt. Das Gebälk und Schieferdach der historischen Kirche müssen grundlegend saniert werden.
Damit die große Orgel im Kirchenraum durch die bevorstehenden Dacharbeiten keinen Schaden nimmt, sind vier Mitarbeiter der Orgelbaufirma Nicolaus & Förster aus Lich damit beschäftigt, die Pfeifen der Oberlinger-Orgel auszubauen. Auch der Barock-Engel, der über der Orgel thront, wird zur Sicherheit abgenommen.
Viel Wissen und handwerkliches Geschick ist notwendig: 45 Register hat die Oberlinger-Orgel, die in den 1990er Jahren hinter dem wiedergefundenen barocken Orgelprospekt von 1719 der ehemaligen Wang-Orgel errichtet wurde. Karl-Peter Chilla hatte im Vorfeld zum 500. Jubiläum der Stadtkirche für den Bau der großen Konzertorgel geworben und viele Unterstützer gefunden, sagt Petra Denker. „Mit Werken von Mendelssohn und Bach habe ich mich persönlich von der Orgel verabschiedet“, sagt Kantorin Denker, die sich nun beim Abbau der Orgel ein Bild vom Innenleben des königlichen Instruments machen kann.
„Manches lässt sich erst jetzt erkennen“, sagt sie und nennt ein Beispiel. „Die Luftfeuchtigkeit im Kirchenraum schlägt sich auch im Instrument nieder“, sagt Petra Denker. Oben auf der Empore nehmen die Orgelbauer Thomas Küpper und Eric Schönberner die Holzpfeifen fachmännisch in den Blick. „Sehen Sie hier die grauen Stellen? – Das ist Schimmel. Die Pfeifen müssen vor dem Wiedereinbau unbedingt behandelt werden“, erläutert Eric Schönberner.
Für Kantorin Petra Denker ist es nicht der erste große Orgelbau, den sie begleitet: „In Fallersleben – meiner früheren Stelle – habe ich schon mal einen Orgelabbau und Orgelaufbau miterlebt“, sagt Petra Denker. Die neue Propsteikantorin ist froh, dass sie in den vergangenen Wochen vor ihrer Einführung das Instrument noch intensiv spielen und so den Klang kennenlernen konnte. Denn: „Ich muss mir den Klang für den Wiederaufbau einprägen“, sagt sie.
In den kommenden Monaten wird sie auf wesentlich kleineren Orgeln in den Gemeindehäusern spielen müssen. „Wenn ich in dieser Zeit auf einer großen Orgel spielen möchte, bleibt mir das kollegiale Angebot von Bezirkskantor Joachim Dreher. Der katholische Kollege hat mir seine Kirchenorgel als Asyl angeboten“, erzählt Petra Denker.
Die ausgebauten 2800 Pfeifen wandern über einen Lastenaufzug in den Kirchenraum. Im Chorraum über dem Altar wurde ein fünf Meter breiter und sechs Meter hoher Verschlag aufgebaut, in dem die silbernen und hölzernen Klangkörper künftig staubfrei für die nächste Zeit verwahrt werden. „Das ist ein enormer Vorteil“, sagen die Orgelbauer, denn jeder Transport birgt Gefahren. „Hier im Raum verbleiben sie auch im gewohnten Klima, das ist ein weiterer Vorteil. Denn ein anderes Raumklima kann ebenfalls den Klang beeinflussen“.
Johannes Beckers und Michael Hoeft sind für die Einlagerung verantwortlich. „Orgelpfeifen bestehen aus Zinn und Blei und sind sehr empfindlich für Erschütterungen oder Staub“, sagt Johannes Beckers und deutet mit seinem Handschuh auf ein Pfeifenloch, dem sogenannten Labium. „Hier kann sich Dreck festsetzen und somit den Klang verändern. Aufgrund des weichen Materials dürfen die Pfeifen nur stehend gelagert werden. Würde man sie legen, könnten sie sich verformen“, sagt Johannes Beckers, der die wertvolle Ladung entgegen nimmt. Im Regal werden sie nach Registern getrennt gelagert, damit es beim Wiedereinbau zügig voran geht“.
Hintergrund Stadtkirche
Die evangelische Stadtkirche Dillenburg ist eine sehr sehenswerte Kirche in der Region. Sie liegt als ein Wahrzeichen der Stadt am Hang des Schlossberges - unterhalb des Wilhelmturms. Die einst katholische Kirche mit Hochaltar wurde im Zuge der Reformation 1530 zur Evangelischen Stadtkirche und beherbergte auf dem Speicher die Lateinschule.
Am 3. Juni 1491 wurde die Kirche als Grabeskirche der Grafen und Fürsten von Nassau errichtet und als Pfarrkirche Sankt Johannis geweiht. Die Grabkirche der nassauischen Grafen sowie Ahnen des preußischen und des holländischen Königshauses zieht bis heute viele niederländische Gäste an.
Im Inneren beherbergt die evangelische Stadtkirche Dillenburg eine Oberlinger Orgel mit 45 Registern und einem Glockenspiel. Für die Orgel aus dem Jahr 1990 wurde der einstige Orgelprospekt aus dem Jahr 1719 wieder beschafft und restauriert: Seit dem thront auch wieder über dem barocken Orgelprospekt ein Engel mit einer Posaune. Die in den Relikten der Wangschen Barockorgel nahezu an ihren ursprünglichen Standort zurück gebrachte Orgel gilt als eines der schönsten Instrumente der Region. Die Kirchenmusik ist ein Schwerpunkt im Gemeindeleben.
Die Sanierungsarbeiten sollen Ende 2016 beendet sein, wenn es gut läuft. 1,9 Millionen Euro wird die Sanierung des Daches der Stadtkirche kosten. Die Arbeiten umfassen den Glockenturm, das Dach und die tragende Holzkonstruktion darunter. Somit muss das komplette Dach im Mittelschiff erneuert werden. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gibt allein 1,3 Millionen Euro für die geplante Dachsanierung. Auch vom Amt für Denkmalpflege gibt es Zuschüsse, erläutern Ackva und Ursula Krug-Richter, die Vorsitzende des Kirchenvorstands. „Den Betrag kann die Kirchengemeinde alleine gar nicht stemmen", erläuterte Pfarrer Friedhelm Ackva und bittet um weitere Spenden.
» Für die Dach-Sanierung
hat die Evangelische Kirchengemeinde Dillenburg
ein Spendenkonto eingerichtet:
„Dachsanierung Stadtkirche“
bei der Volksbank Dill eG
IBAN DE91516900000031461707
BIC GENODE51DIL
Kontakt:
Ev. Kirchengemeinde Dillenburg
Propstei-Kantorin Petra Denker
Am Zwingel 3
35683 Dillenburg
Telefon 02771 / 80 188 18
Bilder oben:
Auf der Empore kontrollieren Eric Schönberner (links) und sein Kollege Thomas Küpper jede Orgelpfeife auf ihren Zustand. Die Orgel soll komplett in zehn Tagen ausgebaut sein.
Mit dem Lastenaufzug kommen die ausgebauten Pfeifen von der Empore in den Kirchenraum. Johannes Beckers bringt die nach Registern sortierten Pfeifen zur sicheren Lagerung in den Chorraum.
FOTOS: BECKER-VON WOLFF
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