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25.11.2013

Wachsam in die Zukunft

Die Evangelische Kirche ruft am Sonntag (10. November) zu mehr Wachsamkeit gegenüber Fremdenfeindlichkeit auf. In den Gottesdiensten wird an die Pogrome vor 75 Jahren erinnert...

 

 

Die Pogromnacht hat am 10. November vor 75 Jahren viele jüdische Synagogen in Deutschland zerstört. An diese Übergriffe und Greueltaten durch die Nationalsozialisten erinnern am Sonntag viele Gemeinden in ihren Gottesdiensten. Kirchenpräsident Dr. Volker Jung sieht heute einen „latenten Antisemitismus bis in die Mitte der Gesellschaft“ als große Gefahr.

 

 

Die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat ihre rund 1170 Gemeinden dazu aufgerufen, in den Sonntagsgottesdiensten am 10. November der Opfer der Pogromnacht von 1938 zu gedenken. Vor 75 Jahren wurde in den Stunden vom 9. auf den 10. November in ganz Deutschland damit begonnen, über 1000 Synagogen, rund 7500 jüdische Geschäfte und hunderte von Wohnungen niederzubrennen, Menschen zu misshandeln und zu töten, sowie Tausende jüdische Bürger in Konzentrationslager zu verschleppen.

 

 

Die Erinnerung dürfe nicht enden, sondern müsse auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen, heißt es in einem Schreiben der Kirchenleitung an die Gemeinden. Es sei wichtig, „die Opfer zu ehren und wachsam zu bleiben, damit in unserem Land nie wieder Menschen anderen Glaubens oder anderer Herkunft verfolgt und misshandelt werden“.

 

 

Der Dillenburger Dekan Roland Jaeckle ruft mit dem Apostel Paulus am Sonntag in seiner Predigt die evangelischen Christen zu mehr Wachsamkeit auf. Der Blick in die Geschichte sei wichtig, um daraus für die Gegenwart und Zukunft zu lernen. „Die Kirchen und Gemeinden vor 75 Jahren haben diese Wachsamkeit leider vermissen lassen. Auch heute haben wir es nötig: wachsam zu sein gegenüber allen neuen Tendenzen zum Antisemitismus. Wachsam zu sein auch gegenüber allen Formen von Fremdenfeindlichkeit. Das ist bitter nötig, gerade wenn in diesen Tagen und Wochen vermehrt Menschen als Flüchtlinge in unser Land kommen. Sie brauchen unsere Hilfe, denn sie kommen aus entsetzlichen Notsituationen in ihren Herkunftsländern“, sagt der Dillenburger Dekan Roland Jaeckle.

 

 

Sein Kollege, der Herborner Dekan Andreas Friedrich unterstützt ebenfalls den Aufruf der EKHN-Kirchenleitung: „Das Evangelische Dekanat Herborn hat sich gerne an den Kosten für das Herborner Holocaust-Mahnmal beteiligt, das direkt gegenüber vom Haus der Kirche und Diakonie auf der anderen Dillseite errichtet wurde und am 8. November offiziell eingeweiht wurde“. Das Denkmal erinnert an die Herborner Opfer des Holocaust und daran, „dass wir aus der Geschichte lernen müssen. Gerade weil auch die evangelische Kirche sich durch ihr Schweigen zu den Vorgängen am 9. November 1938 mitschuldig gemacht hat, ist es unverzichtbar, dass wir heute unsere Stimme erheben und nach Kräften mitwirken, dass sich Vergleichbares – auch in kleinerem Maßstab – niemals wiederholt!“, sagt Dekan Andreas Friedrich in Herborn.

 

 

Pröpstin Annegret Puttkammer erinnert am Sonntag an Psalm 74: „Der Feind hat alles verheert im Heiligtum. Sie verbrennen alle Gotteshäuser im Lande. - Diese Worte aus Psalm 74 markierte Dietrich Bonhoeffer in seiner Bibel und schrieb an den Rand das Datum 9.11.1938. In dieser schrecklichen Nacht wurden Synagogen, Häuser und Geschäfte zerstört und jüdische Familien fortgejagt, verwundet oder ermordet. Auch im Dillkreis. Das ist Gottlos, eine Schande für unser Land. Heute verneigen wir uns stumm vor den Opfern, erinnern uns an sie mit Gottesdiensten, Gedenkveranstaltungen, „Stolpersteinen“ und Ausstellungen. Dass Menschlichkeit, Toleranz und Versöhnungswille nicht selbstverständlich sind, müssen wir heute aber leider auch wieder bitter miterleben“, sagt die Pröpstin Annegret Puttkammer. Sie ruft die Menschen auf, sich von Gott dazu anleiten zu lassen, ihre Schritte auf den Weg des Friedens zu setzen.

 

 

Der frühere Propst Michael Karg erinnerte in der Gedenkfeier vor fünf Jahren an zwei herausragende evangelische Pfarrer, die öffentlich das Nazi-Regime kritisierten. Der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg sagte am 10. November in seiner Ansprache in der St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin: „Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt: Draußen brennt der Tempel. Das ist auch ein Gotteshaus!“ - In Berlin Dahlem, in der St.-Annen-Kirche, war Helmut Gollwitzer Nachfolger des bereits 1937 verhafteten Pastors Martin Niemöller. In seiner Predigt zum Buß- und Bettag am 16. November sagte Gollwitzer damals: „Nun wartet draußen unser Nächster, notleidend, schutzlos, ehrlos, hungernd, gejagt, und umgetrieben von der Angst um seine nackte Existenz. Er wartet darauf, ob heute die christliche Gemeinde wirklich einen Bußtag begangen hat. Jesus Christus wartet darauf!“

 

 

 

» Bild oben:

Am Freitag, 8. November, wurde am Eisernen Steg in der Herborner Walther- Rathenau-Straße das Holocaust-Denkmal im Rahmen einer öffentlichen Gedenkstunde eingeweiht. Der Gedenkstein steht direkt gegenüber vom Haus der Kirche und Diakonie auf der anderen Dillseite.

 

 

Zum Hintergrund

 

Es muss im Mittelalter eine jüdische Gemeinde in Herborn gegeben haben. Im Zinsregister eines Adligen kommt nämlich für die Zeit um 1376 eine Synagoge („Judenschule“) vor, die offenbar in der Mühlgasse lag. Sonst schweigen die Quellen, die wir kennen. Die reformierten Theologen der 1584 gegründeten Hohen Schule befassten sich grundsätzlich mit dem Verhältnis von Juden und Christen und befürworteten Toleranz gegenüber den Juden. Dies bewährte sich noch um 1820, als die Professoren des Theologischen Seminars Salomo Herxheimer förderten. Er wurde Landesrabbiner in Anhalt. Diese tolerante Haltung verlor seit Ende des 19. Jahrhunderts jedoch an Boden.

 

Aussagekräftige Nachrichten über eine jüdische Gemeinde in Herborn gibt es erst ab 1660. Damals entstanden der Betsaal und die mikwe (erhalten) in der südlichen Hälfte des Wohnhauses Kornmarkt 22. Der Saal am Kornmarkt wurde bis 1869 genutzt. Ein jüdischer Friedhof Herborns wird 1747 erwähnt. Erhalten blieb der neue ab etwa 1870 belegte.

 

Die bescheidene neue Synagoge südlich der Altstadt, die die ursprüngliche ersetzte, fiel dem Novemberpogrom 1938 zum Opfer. An der Einweihung dieser Synagoge am 5. Februar 1869 nahmen viele nichtjüdische Bürger teil. Der Männergesangverein umrahmte sie mit Liedvorträgen. Die neue liberale Gesinnung in Herborn ermöglichte und erleichterte den jüdischen Bürgern die Teilnahme am öffentlichen Leben. Hier trafen sich die Anerkennung der Juden als gleichberechtigte Bürger mit ihrer Bereitschaft, sich an dem aufblühenden Vereinsleben der Stadt zu beteiligen.

 

Die liberale Kultur Herborns erwies sich als zu schwach, um dem Hitlerregime zu widerstehen. Auch in Herborn wurden die Juden und die wenigen übrigen Bürger, die ihre Freunde blieben, zu Außenseitern. Die Verfolgung der Juden begann in Herborn wie überall im Reich am 1. April 1933 mit einer von der NSDAP organisierten Boykottaktion gegen die jüdischen Geschäfte. Die Erwerbstätigkeit der jüdischen Bürger wurde immer mehr eingeschränkt. Viele wanderten aus.

 

Erster Höhepunkt der Verfolgung war in Herborn wie im übrigen Deutschland das Novemberpogrom von 1938. Danach verließen weitere jüdische Familien, wenn sie noch konnten, die Heimat. Einige Eltern retteten ihre Kinder durch den „Kindertransport“ von Herborn nach England. 1940 wurden 39 jüdische Patienten der Landes- Heil- und Pflegeanstalt in Herborn in Tötungsanstalten gebracht und ermordet. Die letzten 24 Herborner Juden teilten während des Zweiten Weltkrieges nicht nur die Nöte ihrer Nachbarn, sondern wurden grausam diskriminiert. Sie hatten den „Judenstern“ zu tragen und durften nur zu bestimmten Zeiten einkaufen.

 

Sie wurden 1942 und 1943 in Konzentrationslager deportiert, wo sie alle ums Leben kamen. Die Namen der 63 Opfer sind auf dem Herborner Holocaust-Denkmal verewigt. Seine Gestaltung geht auf die Idee von Herrn Gerald Stern in Newcastle zurück und greift die Tatsache auf, dass es für die Herborner Holocaust-Opfer nirgendwo Gräber und Grabsteine gibt.

 

 


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