Lichtspiel für die Seele
400 Besucher erlebten am Freitagabend mit "2Flügel" ein Kopfkino der besonderen Art in der Konferenzhalle in Herborn.
Von Walter Lutz
Mit ihrem Jubiläumsprogramm Kopfkino gastierten am Freitagabend „2Flügel“ in der Herborner Konferenzhalle. Das Publikum erlebte über zwei Stunden lang einen bunten Strauß an Filmmusiken aus den vergangenen Jahrzehnten - ergänzt durch pointierte wie nachdenkliche Geschichten und Gedanken.
Die Sauerländerin Christina Brudereck ist Theologin und Schriftstellerin – der Langenaubacher Benjamin Seipel arbeitet als Hochschuldozent und Pianist. Als „2Flügel“ brannten sie am Freitag Abend in der Herborner Konferenzhalle ein wahres Feuerwerk an Erinnerungen und Impulsen rund um bekannte Kinofilme ab.
Dabei brillierten beide auf ihre Art: Während Benjamin Seipel das Publikum mit einfühlsamen wie mitreißenden Klavierspiel und Gesang begeisterte, sorgte Christina Brudereck gekonnt durch ihre lebhaften Geschichten und Moderationen für nachdenkliches Schweigen ebenso wie für entspanntes Lachen der Zuhörer.
"2Flügel" waren auf Einladung der Frauenarbeit des Evangelischen Dekanats an der Dill nach Herborn gekommen. Beide Künstler leben in Essen und konnten es sich daher nicht verkneifen, das Herborner Publikum schmunzelnd darauf hinzuweisen, dass Berlin nicht in der Bibel erwähnt sei, wohl aber Essen. So war der Abend voll von überraschenden Doppeldeutigkeiten und interessanten Gedankengängen.
Ob über Erlebnisse während der Regenzeit in Birma oder Erinnerungen an ein Schicksal im Konzentrationslager Bergen-Belsen – Brudereck wusste ihr Publikum mit ihren Erzählungen zu fesseln. Gedanken zu überladenen Flüchtlingsbooten verband die Theologin mit den Worten Jesus „Kommt her, die ihr mühselig und beladen seid...“, was Seipel durch eine Variation des alten Kirchenliedes „Es kommt ein Schiff geladen“ abrundete.
Sätze und Zitate wie „Gott ist der Film und die Kirche das kleine Dorfkino mit seinen Mängeln, was aber nichts an der Größe es Film ändert (Hape Kerkeling) bleiben wunderbar unkommentiert und regten zum Nachdenken an.
Auch der Frage, warum Frauen und Männer eigentlich gemeinsam Filme schauen sollten, gingen die beiden augenzwinkernd nach: Hier „Die Farbe Lila“,dort „Rambo“ - da blieb als Kompromiss wohl oft nur eine Komödie übrig. Aus diesem Grund genieße sie es, alleine ins Kino zu gehen“, bekannte Christina Brudereck.
Ob „Bohemian Rhapsody“, „I‘m singing in the Rain“ oder bei 14 Filmhits in 120 Sekunden – Benjamin Seipel lebte seine Virtuosität am Flügel voll aus und überraschte immer wieder mit besonderen Arragements und Zusammenstelllungen von Titeln. Der Pianist schaffte es dabei, selbst Kirchenlieder mit der EU-Hymne und Evergreens zu vermischen.
Mit dem alten Schlager „Der Menschen muss eine Heimat haben“ - in den 1950er Jahren gesungen von Hans Albers – und dem Lindenbaum-Lied der Comedian Harmonists, die von den Nazis verboten wurden, lenkten die beiden Künstler die Gedanken auf 70 Jahre Frieden in Europa und die Gefahr, den Rechtspopulisten auf den Leim zu gehen. „In der Beschäftigung mit der Fernsehserie „Babylon Berlin“ ist klar geworden, wie sich die politischen Verhältnisse zu Zeiten der Weimarer Republik und dem aktuellen Rechtsruck ähneln“, mahnte Christina Brudereck ihr Publikum.
Mit einem Abspann – wie am Ende eines Filmes – fasste „2Flügel“ einen hörenswerten Abend zusammen, bevor es nach langanhaltendem Applaus und Standing Ovations als Zugabe Gedanken zu Filmzitaten von Kindern gab.
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