Die Konservendosen auf dem Altar
Ungewohnt ist der Anblick schon: Auf dem schöngedeckten Altar sehen die glänzenden Konserven-Dosen irgendwie glanzlos aus...
Die Konservendosen stehen auf dem Altar in der Kirche und ich höre schon zwei Frauen tuscheln: „Na, das haben sie aber auch schon mal schöner hergerichtet!“ Am Sonntag ist Erntedankfest und da gehört es in unseren Gemeinden dazu, dass die Kirche mit den Gaben von Feld und Garten geschmückt wird.
Doch in vielen Orten wird es immer schwieriger, etwa den Kürbis, das Kraut oder die dicken Möhren dafür zusammen zu bekommen. Gut versorgt sein, einen gedeckten Tisch haben, ist für die meisten von uns selbstverständlich.
Doch selbst ernten tut kaum noch jemand. Brauchen wir da überhaupt noch ein Erntedankfest? Ich denke schon. Für mich ist es wichtig, mir bewusst zu machen, was mein Leben so reich macht. Denn wenn wir uns an unseren Wohlstand gewöhnen, alles selbstverständlich ist, bleibt schnell die Verantwortung und das bewusste Handeln auf der Strecke.
Ich denke an fair gehandelte Waren, für die Menschen, die sie produzieren, einen gerechten Lohn bekommen, der ihnen und ihrer Familie das Überleben sichert. Und was kostet das mich? Der Kaffee etwa im Weltladen in Eisemroth kostet durchschnittlich 8 Euro das Pfund - statt 5,49 Euro im Supermarkt. Ein paar Euros mehr, die anderen Menschen einen Weg ins Leben eröffnen können.
Und es braucht eigentlich nicht erst einen Armutsbericht der Bundesregierung, um wahrzunehmen, dass es auch in unserem Land arme Menschen gibt. Wir müssen nur die Augen auf machen.
Deshalb spenden wir die Konservendosen auf dem Altar nach dem Gottesdienst der Tafel in Dillenburg. Dort werden sie dringend gebraucht, denn es gibt auch in unserer Region viele Menschen, die nur durch die Unterstützung der Tafel über die Runden kommen.
Erntedank – das heißt eben nicht nur danken für das, was ich habe, sondern auch den Blick öffnen für andere Menschen und von meinen Überfluss abgeben und teilen. Dann haben viele einen Grund, am Erntedankfest zu singen: „Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn drum dankt ihm und hofft auf ihn!“
Dorothee Schaaf ist evangelische Pfarrerin in Merkenbach und Fleisbach.
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