Kirchen lehnen nationalistische Bestrebungen ab
Für "Integration mit menschlichem Gesicht" wollen sich die Evangelische und die Katholische Kirche einsetzen. In einer in Wetzlar unterzeichneten Stellungnahme distanzieren sich die beiden Kirchen gegen Bestrebungen der Grauen Wölfe. Die Stellungnahme lesen Sie hier.
Stellungnahme
Wir, die Evangelische und Katholische Kirche in der Region, sind seit vielen Jahren verlässliche Partner der Integration im Lahn-Dill-Kreis. Es gehört zum Selbstverständnis von Kirche und ihrer Einrichtungen, das Miteinander einheimischer und zugewanderter Bürgerinnen und Bürger zu fördern und zu stärken. Das kontinuierliche Gespräch mit Migrantenvereinen und Netzwerkarbeit bei den Integrationsbemühungen ist uns ein Herzensanliegen.
Dabei gilt es Widerstände zu überwinden, die zum Teil in Vorurteilen und Ängsten der einheimischen Bevölkerung begründet sind, zu einem weiteren Teil in Vorurteilen und Ängsten der zugewanderten Bevölkerung. Hier gilt es Vertrauen aufzubauen, persönliche Kontakte zu knüpfen und Schritt für Schritt gemeinsam Wege zu gehen. Diese Kontakte ermöglichen es, sachliche und fachliche Probleme der Integration anzugehen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln miteinander zu beleuchten.
Widerstände gegen die Integrationsarbeit kommen vor allem von nationalistischen Kräften, die mit ideologischen Vorgaben eine Integration verhindern wollen. Hierzu zählen neben nationalistischen Kräften aus unserem Land auch die nationalistischen Bestrebungen der Grauen Wölfe mit ihren Dachorganisationen. Diese Ideologien lehnen wir ab, da sie auf Vorherrschaft, Gewalt und Intoleranz gründen. Zeichen wie ‚Hakenkreuz’ oder der ‚Wolfsgruß’ sind mitnichten Zeichen kultureller Identität, sondern stehen vorrangig für politische Ziele.
Wir fordern verantwortliche Politiker und Migrantenvertreter auf, sich deutlich zu distanzieren. Sonst nehmen die gemeinsamen Wege der Integration Schaden. Es geht darum, eine Integration mit menschlichem Gesicht voranzubringen, in der Werte wie Demokratie und Toleranz, Kritik und Lernen, Vertrauen und Akzeptanz handlungsleitend sind.
Als Evangelische und Katholische Kirche in der Region sind wir weiterhin Partner der Integration und hoffen auf ein breites Bündnis, das für das Gelingen eines friedlichen und menschlichen Miteinanders einsteht.
Wetzlar, Herborn, Dillenburg, im Februar 2011
Pfarrer Roland Rust, Superintendent
Evangelischer Kirchenkreis Braunfels
Pfarrer Dr. Christof May, Bezirksdekan
Katholischer Bezirk Wetzlar
Pfarrerin Ute Kannemann, Superintendentin
Evangelischer Kirchenkreis Wetzlar
Pfarrer Michael Karg, Propst
Propstei Nord-Nassau der EKHN
Pfarrer Michael Niermann, Bezirksdekan
Katholischer Bezirk Lahn-Dill-Eder
Pfarrerin Annegret Puttkammer, Dekanin
Evangelisches Dekanat Herborn
Pfarrer Peter Kollas, Vorsitzender
Caritasverband Lahn-Dill-Eder
Pfarrer Roland Jaeckle, Dekan
Evangelisches Dekanat Dillenburg
Ursula Müller, Presbyteriumsvorsitzende
Evangelische Kirchengemeinde Niedergirmes
Pfarrer Matthias Ullrich, Dekan
Evangelisches Dekanat Gladenbach
Pfarrer Andreas Müller-Eidam, Beauftragter für das christlich-islamische Gespräch Evangelischer Kirchenkreis Braunfels
Pfarrer Heiko Ehrhardt, Beauftragter für das christlich-islamische Gespräch Evangelischer Kirchenkreis Wetzlar
Karl Müßener, Geschäftsführer
Diakonisches Werk Herborn-Dillenburg
Diakon Harald Würges, Beauftragter für Ausländer und Flüchtlingsfragen
Evangelische Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar.
Zum Hintergrund
Mit dem ungewöhnlichen Schritt reagieren die katholische und evangelische Kirche in der Lahn-Dill-Region auf den Umgang der Kommunalpolitik mit den türkisch-nationalistischen "Grauen Wölfen" in Wetzlar und andernorts. Adressat sind die Städte Wetzlar, Aßlar, Dillenburg und Haiger mit den Stadtoberhäuptern und ihren Ausländerbeiräte sowie Landrat Wolfgang Schuster (SPD) und Hessens Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP). Im Fokus dürfte aber Wetzlar mit Oberbürgermeister Wolfram Dette (FDP) an der Spitze stehen.
In der Domstadt waren Mitglieder des Ausländerbeirats wegen der Nähe zu den "Grauen Wölfen" in die Kritik geraten - darunter der Beiratsvorsitzende Bayram Serin, der daraufhin auf eine SPD-Kandidatur für das Stadtparlament verzichtete. Die Kommunalpolitik hatte sich zurückhaltend bis gar nicht zu dem Thema positioniert.
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