Warum es Wartezeiten gibt ...
Von Wirtschaftlichkeit und Ethik in der Medizin hat Klinikdirektor Preuß beim Neujahrsempfang des Dekanats im Herborner Schloss gesprochen...
Von Siegfried Gerdau
Ökonomie und Ethik – wie passt das in der Medizin zusammen? Über diese Frage hat Vitos-Klinikdirektor Professor Dr. Ulrich W. Preuß beim 13. Neujahrsempfang des Evangelischen Dekanats an der Dill im Herborner Schloss gesprochen.
Im Beisein unter anderem von Annegret Puttkammer, der Pröpstin für Nord-Nassau, Landrat Wolfgang Schuster (SPD) und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer, erinnerte Dekanats-Präses Wolfgang Wörner daran, dass das Kirchenjahr am 1. Advent beginnt und am Totensonntag oder Ewigkeitssonntag endet.
Warum müssen die einen länger warten? In seinem Vortrag machte Preuß deutlich, dass die medizinische Ethik sich in einem zunehmenden Spannungsfeld zwischen Ökonomie – also, Wirtschaftlichkeit – leitlinienorientierter Versorgung und Patientenwünschen bewege. Diese Parameter stellen auch zugleich den ethischen Entscheidungsrahmen dar, sagte der 49 Jahre alte Professor. Die Gesellschaft werde noch dazu immer älter und das finanziell Machbare noch schwieriger. Wirtschaftliche Kriterien spielten daher zunehmend eine größere Rolle. So würden vermehrt Operationen auf ihre Notwendigkeit hinterfragt.
Anhand von Statistiken belegte Preuß aus seinem Fachgebiet den kontinuierlichen Anstieg von psychischen Erkrankungen wie Depressionen. Bezug nehmend auf die ethischen Kriterien, zitierte er Giovanni Maio, der bereits vor zwei Jahren im Ärzteblatt behauptet hatte: „Das Gravierendste an der Ökonomisierung der Medizin ist die stillschweigende Umpolung der Ärzte. Im Grunde findet gegenwärtig eine Kapitalisierung der ärztlichen Tätigkeit mit einem impliziten Appell zu Übernahme einer ökonomischen Vorteilslogik statt. Wenn zum Beispiel durch Bonuszahlungen im Krankenhaus der einzelne Arzt bei einer ärztlichen Indikation vom System her eher bestraft wird, wenn er seine Eingriffszahlen nicht gesteigert hat. Dadurch werden durch eine einseitige Logik die falschen Akzente gesetzt.“
Preuß sprach auch über die unterschiedlichen Wartezeiten für Termine bei Ärzten: Derzeit müssten Kassenpatienten durchschnittlich 19 Tage länger warten als Privatpatienten. Auch dies berühre die Gerechtigkeit und Fairness gegenüber den kranken Menschen. Preuß räumte jedoch ein, dass viele ethische Probleme auch weiterhin nicht gelöst werden könnten, und es sei ihm ganz klar, dass besonders in der Psychiatrie immer mehr Fragen als Antworten offen blieben.
In seinem sehr komplexen Vortrag berührte der erfahrene Arzt noch viele andere medizinische Versorgungsgebiete, die sich letztendlich alle an dem Machbaren, aber auch den dazugehörigen ethischen Fragen messen lassen müssten. Der Vortrag endete mit einer Reihe von Zuschauerfragen.
Lisa Ebertz und Nicolai Benner umrahmten den Neujahrsempfang musikalische sehr gefühlvoll und zum Thema passend.
(Dill-Zeitung vom Sonntag, 10. Dezember 2017, Seite 11)
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