Wichtiger als Reden
Die Notfallseelsorge Lahn-Dill hat in Haiger sechs neue ehrenamtliche Mitarbeiter eingesegnet. Zum Team gehören jetzt auch Bettina Marloth-Claaß und Friedhelm Ackva ...
Von Ute Jung
Sie sind da, hören zu, spenden Trost: Notfallseelsorger, die sich nach schlimmen Unglücksfällen um die Betroffenen und ihre Angehörige kümmern. Wenn unvorhersehbare Ereignisse, wie Unfälle, tragische Todesfälle oder andere schlimme Ereignisse zuschlagen, geraten Menschen in akute Krisensituation. In solchen Fällen sind Rettungskräfte, Polizisten und Feuerwehrleute überfordert und die Notfallseelsorger gefordert. Sie erscheinen beispielsweise am Unfallort, kümmern sich um die Angehörigen oder Betroffenen und erleichtern damit auch den Rettungskräften, der Polizei oder Feuerwehr, mit denen sie eng kooperieren, enorm ihre Arbeit.
Sechs Notfallseelsorger wurden am Mittwochabend im ökumenischen Jahresgottesdienst der Notfallseelsorge in der katholischen Kirche St. Maria Himmelfahrt in Haiger, der unter dem Motto „Im Gespräch bleiben“ stand, in diese ehrenamtliche Tätigkeit eingeführt. Im Gottesdienst waren viele Rettungskräfte von Feuerwehr, Polizei und anderen Rettungsdiensten anwesend.
Katrin Born, Monika Entrop, Gabriele Groos, Marianne Röttig, Pfarrerin Bettina Marloth-Claaß und Pfarrer Dr. Friedhelm Ackva unterstützen ab sofort die Notfallseelsorge im Lahn-Dill-Kreis. Während Pfarrerin Marloth-Claaß (Herborn) und Pfarrer Ackva (Dillenburg) schon an ihren früheren Wirkungsstätte in der Notfallseelsorge aktiv waren, hatten die anderen eine zwei Monate dauernde, je an zwei Abenden in der Woche stattfindende Ausbildung absolviert.
Damit ist der Kreis der ehrenamtlichen Helfer der Notfallseelsorge Lahn-Dill auf 46 angewachsen. Das bedeutet für die Seelsorger, die überkonfessionell in Nord- und Südkreis unterteilt arbeiten, dass sie mindestens zwei Wochen im Jahr rund um die Uhr zur Hilfe in Notsituation bereitstehen. Für eine Alarmierung sind sie über Melder, die sie in dieser Zeit mit sich tragen, jederzeit abrufbar.
Egal, was sie gerade machen, wenn die Alarmierung erfolgt, hat der Einsatz oberste Priorität. Um sie für diese wichtige und herausfordernde Tätigkeit zu zurüsten, baten Dr. Uwe Rieske (Landespfarrer für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland), Jürgen Ambrosius (Synodalbeauftragter für die Notfallseelsorge in den Kirchenkreisen Braunfels und Wetzlar) und Pfarrer Eberhard Hoppe (Leiter der Notfallseelsorge Lahn-Dill) um Gottes Segen.
Dr. Rieske erinnerte sich in seiner Predigt an einen Einsatz, den er vor Jahren in Köln hatte. Damals war eine 19-Jährige nach einer einfachen Mandeloperation an den Folgen eines hohen Blutverlustes gestorben. In der Wohnung der Mutter, die die Rettungskräfte alarmiert hatte, befanden sich viele Verwandte, Bekannte und auch Vertreter der Kriminalpolizei. Die Mutter sei schreiend und jammernd durch die Wohnung geirrt, schilderte der Pfarrer. In so einem Fall bestünde die Arbeit eines Notfallseelsorgers daraus, den Mut zum Aushalten und nicht vor dem Schmerz der Angehörigen wegzulaufen zu behalten. Vier bis fünf Stunden habe er in der Wohnung der Mutter verbracht. Da sei Zuhören wichtiger als Reden und die Frage der Angehörigen nach dem „Warum“ schwer auszuhalten. Dabei sei gerade das Vorhandensein von Menschen, die in der Notfallseelsorge arbeiteten, ein Zeichen für die Nähe Gottes.
Es gelte nicht, Übermenschliches zu leisten, sondern die Betroffenen im Namen Gottes nicht alleine zu lassen. Die Jahreslosung für 2014 „Gott nahe zu sein, ist mein Glück“ (Psalm 73 Vers 28) gelte besonders für die Einsätze der Notfallseelsorger. So werde Gottes Gegenwart spürbar, die Kraft zum „mit dem Anderen aushalten“ verleihe. Auch die Verheißung aus Jesaja 43 „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen“ seien ein gutes Motto für die Seelsorger. Gott gebe ihnen Kraft, auch inmitten von Wasser und im Feuer, sagte der Pfarrer und: „Gott beseitigt nicht die Gefahr, lässt uns in ihr aber nicht alleine.“ Im Gespräch bleiben heiße eben manchmal auch, mit Gott im Gespräch zu sein, wenn für die Situationen die Worte fehlten.
Manchmal gebe es auch zu einem späteren Zeitpunkt die Chance, mit den Betroffenen zu sprechen. Manchmal kehre dann das Leben und die Liebe in ihr Leben zurück. Die dankbaren Erinnerungen würden zu Hoffnung und das Leben wieder bunt. Es wachse Hoffnung, die bleibe. Die Wärme der Sonne und die Farben des Lebens würden wieder wahrgenommen. Und es sei so, wie ein brasilianisches Sprichwort sage: „Am Ende ist alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“
Der Notfallseelsorge-Jahresgottesdienst in Haiger wurde musikalisch von der Band „Reflex“ begleitet, die für einen schönen Rahmen der Veranstaltung sorgte. Die Band, unter der Leitung von Thomas Fricke aus Katzenfurt brachte unter anderem „One of us“ von Joan Orborne wunderschön zu Gehör.
Die Notfallseelsorge Lahn-Dill besteht seit 1999. Sie will eine „Erste Hilfe für die Seele“ gewährleisten. Pfarrer Eberhard Hoppe ist hier seit 2010 hauptamtlich mit einer halben Stelle als Koordinator tätig. Die Notfallseelsorger stehen unter Schweigepflicht und sind durch Berufserfahrung und Ausbildung für den Umgang mit Menschen in schwierigen Situationen vorbereitet.
Die Träger der Notfallseelsorge Lahn-Dill sind die Evangelischen Dekanate Dillenburg und Herborn, die Evangelischen Kirchenkreise Braunfels und Wetzlar, der Katholische Bezirk Lahn-Dill-Eder (Wetzlar und Dillenburg).
» Bild oben:
Als neue Notfallseelsorge-Mitarbeiter wurden (vorne, v.l.) Katrin Born, Monika Entrop, Marianne Röttig, Gabriele Groos, Friedhelm Ackva und Bettina Marloth-Claaß von (hinten, v.l.) Jürgen Ambrosius, Dr. Uwe Rieske und Eberhard Hoppe offizielle eingeführt und eingesegnet.
Viele Feuerwehrleute, Polizisten und Mitarbeiter von Rettungsdiensten und Hilfsorganisationen waren zum Jahresgottesdienst der Notfallseelsorge nach Haiger gekommen.
FOTOS: UTE JUNG
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